Kapitel 10
Wie bewerte ich die Leistungen der SuS im FSU-UwS-OL-Modell?

Was lernst du?
- In diesem Kapitel zeigen wir dir, wie du die Leistungen deiner SuS im Modell der Schnittstelle zwischen FSU, OL und UwS bewerten kannst.
- Das Bewerten kannst du verändern, indem du andere Schwerpunkte wählst. Das hängt auch davon ab, ob im Vordergrund das Bewerten der FS-Kenntnisse oder das Bewerten der sog. nichtsprachlichen Inhalte steht.

Weil ich wenig Erfahrungen aus der Leistungsbeurteilung im Unterricht habe, suchte ich Hilfe bei Tatjana Lubej aus Maribor in Slowenien. Ich weiß, dass Tatjana eine hervorragende Lehrerin ist und dass ihr DaF-Unterricht sehr gerne besucht wird. Tatjana war bereit, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Sie hat ihr eigenes formatives Bewertungsmodell entwickelt, das sie seit mehreren Jahren anwendet und das hier erklärt wird. Danke, Tatjana!

In der Planungsphase wird die Erstsprache der SuS angewendet, weil der Inhalt wichtiger als die FS-Kenntnisse sind!
Das hier vorgestellte Modell für formatives Bewerten hat vier Phasen:
- Ziele für ein Modul bestimmen und planen,
- die Arbeit an dem Modul bewerten,
- über das Modul und das Bewerten reflektieren,
- die Reflexionen und Analysen beim nächsten Modul anwenden.

In allen vier Phasen machen die SuS mit!
Das ist die Grundidee und die ist am wichtigsten.
1. Ziele für ein Modul bestimmen und planen …
Die Lehrkraft stellt das Thema des ganzen Moduls (8-10 Stunden) vor (z. B. Wasser). Sie stellt Fragen wie: Was solltet ihr über dieses Thema wissen? Wie viel Zeit werden wir dafür brauchen?
→ Die SuS notieren ihre Antworten (d.h. die Ziele) in ihre Hefte. Das macht auch die Lehrkraft. (Variante: die Lehrkraft bestimmt die Zahl der Ziele.) Je nach dem Alter der SuS und ihren FS-Kenntnissen werden die Ziele nach Fertigkeiten differenziert (Verstehen, Sprechen, Schreiben). Wichtig! Die Ziele werden immer aufgrund des Vorwissens bestimmt!
→ Das Resultat sind 3 bis 5 Ziele (Alter bis 11 Jahren) und 5 bis 10 Ziele nach Fertigkeiten (Alter 12 bis 15 Jahre).
→ Es folgt ein Gespräch über die Ziele.
→ Die SuS denken über die Ziele nach und bestimmen Strategien, mit denen sie ihre Ziele erreichen werden.

Tatjana: „Weil die SuS bei mir so eine wichtige Rolle im Prozess des Bewertens haben, sind sie häufig strenger als sonst. Sie stellen höhere Kriterien auf.“
Kommentar zur Schnittmenge von OL, FSU und UwS
In dem Modell der Schnittmenge von OL, FSU und UwS kann man Ziele für alle drei Bereiche bestimmen oder nur für zwei oder einen. Beispiel (Modul Wasser, A1, 13 Jahre alte SuS):
FSU (DaF) | OL | UwS |
---|---|---|
Wortschatz zu Themen Wasser, Haushalt, Wohnen | den Wasserweg Behälter – Leitungen – Haus kennenlernen | den Wasserweg in seinem Verhältnis zur Umwelt verstehen |
Kommunikationsmuster nach einzelnen Aktivitäten | fließende Gewässer beobachten | lernen und empfinden das Wasser und seinen Gebrauch zu schätzen |
Wiederholung des Wortschatzes nach einzelnen Aktivitäten | sich im eigenen Ort orientieren | Möglichkeiten für den Gebrauch vom Regenwasser im Haushalt kennenlernen |
Strategien: die Lehrerin fragen, im Wörterbuch aufsuchen, googeln, irgendwo lesen, im Unterricht mitmachen, Arbeitsblätter lösen, Projekte, Referate, TV, auf dem Weg nach Hause 4x wiederholen, …


Als Wolf bin ich ein guter Stratege. Und es freut mich sehr, dass die SuS in Tatjanas Klassen viele und optimal anwendbare Strategien anführen. So entwickeln sie die Kompetenz, das Lernen zu beobachten und darüber zu reflektieren. Das ist eine wichtige Kompetenz fürs Leben!
2. Nach der Arbeit mit einem Modul wird bewertet …
Alle Ziele werden überprüft – hat man sie erreicht? Nur teilweise? Überhaupt nicht? Hier sind einige Möglichkeiten, wie die Ziele überprüft werden können. Die Auswahl hängt vom Inhalt des Moduls und vor einzelnen Sprachfertigkeiten ab.
→ Die SuS führen Dialoge zu bestimmten Themen. Die Lehrkraft hört zu und notiert ihre Bemerkungen. Die SuS bewerten, inwieweit sie ihre Ziele erreicht haben. Beispiel: ein Gespräch darüber, wofür wir zu Hause das Leitungswasser brauchen.
→ Die SuS führen Dialoge zu bestimmten Themen. Dialoge werden aufgenommen (Audio- oder Videoaufnahmen) und zusammen nach den Zielen überprüft.
→ Die SuS stellen ihr Wissen der Lehrkraft vor (z. B. sie beschreiben bestimmte Gegenstände, berichten über Vorgänge, nehmen Stellung zu etwas, …).

Tatjana: „Am Anfang des Schuljahres wählen wir zusammen die Symbole für die Bewertung. Bei den kleinen Kindern sind das meistens Smileys, bei den größeren die Noten.“
3. Nach dem Bewerten wird reflektiert …
Nach dem Bewerten transformiert die Lehrkraft die eigenen Beobachtungen wie auch die Bewertungen der SuS in die Schulnoten.
Dem Bewerten folgt die Reflexion. Alle SuS sprechen (oder schreiben) über ihre Leistungen, ihre Erfahrungen mit dem Modul, über die Zusammenarbeit und über ihre Pläne zur Verbesserung.
Die Reflexionen werden in der Planung und Ausführung des nächsten Moduls angewendet oder berücksichtigt.

Auch in der Phase der Reflexion und Analyse verwendet Tatjana verschiedene Medien (mündlich, schriftlich) und auch die moderne Technik, die aber immer nur sinnvoll eingesetzt wird (Tablets, Moodle, Handys, …).
Welche Vorteile hat dieses Modell?

Ich wollte von Tatjana auch wissen, welche Vorteile ihres Modells des formativen Bewertens sie nach mehreren Jahren der Arbeit mit diesem Modell festgestellt hat. Hier ist ihre Antwort:

Folgende Punkte haben sich deutlich verbessert:
- Deutschkenntnisse
(weil das Lernen bzw. Unterricht einem gemeinsamen Weg folgt, man folgt einem roten Faden viel mehr als vorher); - Motivation
für den Deutschunterricht (der eigene Einsatz, die eigene Funktion motivieren stark); - Zusammenarbeit
der SuS und das Klima in der Klasse sind positiver; - kritisches Denken
(durch das Planen und die Zielsetzung und vor allem durch die Reflexion).