Kapitel 1
Was versteckt sich hinter OL?

Beispiel 1

Ist dir so was schon passiert?

Es ist Juni und die erste Hitzewelle ist da. Das spürt man auch in den Klassenzimmern. Heute ist Dienstag und um 12.30 Uhr sind deine SuS schon alle müde und haben gar kein Interesse auf Deutschunterricht. Nach zehn Minuten hast du es satt, den Kasperl zu spielen und du entscheidest, die ganze Klasse in den Schulhof zu bringen. Warum? Weil eine Abwechslung gut tut und deine SuS an der frischen Luft auch motivierter sein werden. Außerdem ist ein wenig Bewegung doch gesund. Ist das alles? Gibt es noch andere Gründe?

Tired student

Mit den SuS in den Schulhof zu gehen und da zu unterrichten – ist das der Unterricht in der Natur?

Was ist eigentlich die Natur? Fragen wir einen Experten für das Thema Natur, und zwar den besten, den wir kennen. Er heißt Fenrir, der Wolf.

Denk über deinen Schulhof nach. Ist er ein Teil der Natur?

Es gibt in deinem Schulhof einen Gemüsegarten, in dem die SuS auch arbeiten. Verschiedenes Gemüse wächst in vier großen Hochbeeten. Gestern Nacht gab es ein schreckliches Gewitter. Hat das Gemüse in den Hochbeeten überlebt? Deine SuS erforschen den Schaden, machen Fotos, besprechen die ganze Situation.

Implizit wiederholt ihr somit den Wortschatz (Substantive, Verben, Adjektive und Funktionswörter) zum Thema Ernährung und ihr lernt bestimmt auch was Neues.

Mit dem Material und Daten aus dem Schulgarten arbeitest du mit deiner Klasse weiter im Klassenzimmer. In der nächsten Deutschstunde erforscht ihr die Frage:

Was würde passieren, wenn es solche Gewitter sechs Nächte hintereinander geben würde?

Deine SuS planen, berechnen, recherchieren ... Zum Beispiel: Wie lange braucht ein Blatt Salat, um 3 cm zu wachsen? Wie schnell erholt sich der Garten?

Zu der dritten Deutschstunde wird die Biologielehrerin eingeladen. Die SuS präsentieren ihre Ergebnisse. Was sagt die Biologielehrerin dazu?

Frage

Im DaF-Unterricht wird das Thema Farben bearbeitet. Wie kann man dieses Thema so bearbeiten, dass der Unterricht im Klassenzimmer und draußen verläuft? Welche Aktivität soll im Klassenzimmer, welche im Schulhof realisiert werden?

Beispiel 2

Es ist Juni und die erste Hitzewelle ist da ...
Auch heute machst du den Deutschunterricht im Schulhof. Das Ziel ist der Schulgarten. Die SuS gehen der Frage nach, warum man keine Tomaten eingepflanzt hat?

Kennst du die Antwort?

Welche Sorten Gemüse pflanzen wir in unserer Region?

Warum gerade diese?

Die Antwort gibt uns nicht nur ein Besuch im Schulgarten. Deine SuS müssen auch im Klassenzimmer recherchieren … Und mit dem Schulgarten vergleichen. Folgt der Schulgarten den allgemeinen Trends für eure Region?

Wenn das nicht so ist, dann soll deine Klasse der Schuldirektorin zusammen eine Mail schreiben. Und erklären, was man im Schulgarten verändern könnte.

Die Geschichte des OL

Ist OL etwas Neues? Seit wann gibt es OL?

Eigentlich ist OL (laut Will Nixon) die Art und Weise wie Menschen für den größten Teil ihrer Geschichte gelernt haben. Erst in den letzten 100 Jahren haben wir den Unterricht in eine kleine Box namens Klassenzimmer gesperrt.

“Using the real world is the way learning has happened for 99.9% of human existence. Only in the last hundred years have we put it in a little box called a classroom.”

Someone famous in Will Nixon (Letting Nature Shape Childhood)

Die antiken Wurzeln des OL

Wolf

Schon Plato und Epikur haben von den Vorteilen des Lernens im Freien gewusst.

Platon

Platon betonte die Bedeutung von Erfahrung und Beobachtung als Mittel zur Erkenntnisgewinnung...

Epikur

Und Epikur glaubte, dass die Natur als Quelle des Vergnügens und des Genusses dient...

Epiktet

Der lebenspraktische Anspruch der Philosophie von Epiktet "Handeln, statt reden."...

Rousseau und die Aufklärung

Rousseau

Im 18. Jahrhundert entwickelte der Schweizer Philosoph Jean-Jacques Rousseau die Idee des "Naturzustands", in dem der Mensch in einer natürlichen Umgebung lebt und lernt, bevor er durch die Zivilisation korrumpiert wird.

Auch die Idee, dass die Natur als Lernumgebung genutzt werden kann, wurde erstmals von Jean-Jacques Rousseau im 18. Jahrhundert in seinem Buch "Emile oder Über die Erziehung" diskutiert. Seine Schriften beeinflussten auch die Gründung von Schulen und Bildungsprogrammen im Freien, insbesondere in Europa.

Lernen im Garten

Wolf

Weißt du, dass das Konzept des Kindergartens tatsächlich mit einem "Garten für Kinder" zu tun hat?

Fröbel

Das von Friedrich Fröbel entwickelte Konzept des Kindergartens wurde in Analogie mit dem Heranziehen und Pflegen von Pflanzen...

Fröbels Ideen haben dazu beigetragen, dass der Wert der Natur und des OL für die kindliche Entwicklung erkannt wurde. Sein Konzept des Kindergartens als Lern- und Erfahrungsort für Kinder hat viele Erziehungspädagogiker aus dieser Zeit für das erfahrungbasierte Lernen begeistert, das Kinder mit Natur, Theorie mit Praxis, Ausbildung mit Leben, Schule mit Zuhause und der lokalen Gemeinschaft zu verbinden sucht. Und zwar durch praktisches Lernen DRAUßEN, im Garten.

Erlebnispädagogik und Outward Bound

Kurt Hahn, gilt als einer der Begründer der Erlebnispädagogik bzw. als Vorreiter des Outdoor Learnings. Er glaubte,dass das Lernen in der Natur und durch erlebnisorientierte Aktivitäten wie Segeln, Bergsteigen und Outdoor-Sportarteneine entscheidende Rolle bei der Bildung von Charakter und Persönlichkeit spielt.

Hahn entwickelte 1941 das Konzept der "Outward Bound"-Schulen, die sich auf erlebnisorientiertes Lernen in der Natur konzentrieren. Diese Schulen sollten junge Menschen durch körperliche und mentale Herausforderungen, wie z.B. Überlebenstrainings, Expeditionen und Gemeinschaftsprojekte, auf das Leben vorbereiten. Er glaubte, dass durch das Überwinden von Herausforderungen in der Natur, junge Menschen ihr Selbstvertrauen, ihre Führungskompetenz, ihre Selbstdisziplin und ihre moralischen Werte stärken könnten.

Hahn

Was ist also OL?

Wolf

Outdoor Learning bzw. Draussen-Lernen auf Deutsch, ist mit einigen anderen Begriffen und Ausdrücken, die die Entwicklung des Konzepts widerspiegeln, verwandt:

  • OL bezeichnet eine Lernmethode, bei der Schülerinnen und Schüler durch direkte Erfahrungen in der Natur lernen, indem sie ihre Umgebung entdecken und erforschen. Ziel ist es, das Verständnis für die Natur und die Umwelt zu fördern und zu stärken. (Quelle: Deutsche Umweltstiftung)
  • OL ist eine pädagogische Methode, bei der Schülerinnen und Schüler in einer natürlichen Umgebung lernen und dabei aktiv und praktisch involviert sind. Es fördert ein tieferes Verständnis und eine nachhaltigere Verbindung mit der Natur und Umwelt. (Quelle: Dillon, 2010)
  • Outdoor Learning ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Schülerinnen und Schüler dazu ermutigt, ihre Umgebung zu erforschen und zu erleben, um ihr Verständnis von der Welt um sie herum zu erweitern. Es fördert auch die körperliche Fitness und die Gesundheit. (Quelle: Deutsches Kinderhilfswerk)
Therapeutic camping Outward bound Real world learning Environmental education Ortsbezogenes Lernen Adventure education Wilderness experience Wildnispädagogik Erlebnispädagogik Forest school Adventure therapy Outdoor learning Umweltbildung Place-based learning Lernen im Freien Draußenlernen

Nach unserem Verständnis ist OL:

erlebnisreich
in den Unterricht im Klassenzimmer integriert
ortsbezogen
dient der Umweltbildung
ökonomisch

Wir beziehen uns damit auf moderne Konzepte des OL, die Erfahrungen der Lebenswelt als Lerninhalt verstehen und das regionale Umfeld aktiv ins Schulleben einbeziehen und außerschulische Lernorte anbieten.

Natur ist ein Lernort und Lernraum, in dem Naturphänomene spürbar und erfahrbar werden, was wiederum das Umweltbewusstsein der Kinder bildet sowie die Achtung vor der Natur fördert.

Wolf

Übrigens: Was genau bedeutet ortsbezogenes Lernen (Place-Based Learning)?

Dass der Aufbau von Erkenntnissen und das Verstehen von Sachverhalten stets an die Umgebungsbedingungen, an Kontexte oder reale Situationen gebunden ist. (Lude et al. 2013)

“Place-Based Learning ist ein pädagogischer Ansatz, der sich auf den Einsatz der Umgebung als Lernraum konzentriert und darauf abzielt, die Beziehung der Schülerinnen und Schüler zu ihrem lokalen Lebensraum zu stärken.” (Gruenewald)

Es lässt Schüler in das lokale Erbe, Kulturen, Landschaften, Möglichkeiten und Erfahrungen eintauchen und nutzt sie als Ausgangspunkt für das Lernen von Sprachen, Mathematik, Gemeinschaftskunde und anderen Fächern im Kurrikulum.

Es legt Wert auf Lernen durch Beteiligung und die Teilnahme an Dienstleistungsprojekten für die örtliche Schule und/oder Gemeinschaft. (https://promiseofplace.org)

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